Carsten Recht

Meine "Eisenbahn-Karriere"

Schon 1962 versuchte ich den Rückzug aus der Fläche der damaligen Deutschen Bundesbahn zumindest für meinen Heimatort Holm-Seppensen zu verhindern. Der damalige Verkehrsminister Seebohm wurde von mir informiert. Geholfen hat das allerdings nichts. Der Hauptkunde, ein Kohlenhändler hat die Einstellung des Wagenladungsverkehrs ganze zwei Jahre überlebt, dann war er pleite. Die zusätzlichen Abholkosten aus Buchholz oder Handeloh machten ihn nicht mehr konkurrenzfähig seinen Mitbewerbern gegenüber. 1964 bemühte ich mich darum, einen Waggon der Kreisbahn Osterode-Kreiensen für die Nachwelt zu erhalten. Auch bei der Gemeinde Binsfeld (Schmalspurbahn-Endpunkt der 750-mm- dampfbetriebenen Kleinbahn von Phillipsheim bei Trier) wurde ich vorstellig und machte einen Vorschlag zum Erhalt der Kleinbahn als Museumseisenbahn. Noch 1963 trat ich dem Verband deutscher Eisenbahnfreunde (VdEF) in Wuppertal bei. Sein Vorsitzender und berühmter Eisenbahnfotograf Carl Bellingrodt besuchte mich in Holm-Seppensen, als ich nicht zu Hause war. Persönlich kennengelernt habe ich ihn leider nie. Ein Jahr später unterstützte ich von meinem Taschengeld den damaligen Deutschen Kleinbahn Verein e.V. (heute Deutscher Eisenbahn Verein) in Bruchhausen-Vilsen. Mit Nummer 34 gehörte ich zu den Ersten der Stunde bei der Ersten Museumseisenbahn in Deutschland. Peter Pekny (+) und Harald Kindermann durfte ich einige Jahre begleiten, wobei ersterer in der gleichen Behörde saß, wie ich während meiner Ausbildung.

 

Den Niedergang der westdeutschen Schmalspurbahnen erlebte ich hautnah mit. Und die Aktivitäten im Jagsttal unterstütze ich schon damals. Ansonsten reiste ich sehr viel: Leer - Aurich - Esens - Bensersiel, Marbach - Heilbronn, Schussenried - Bad Buchau, Brohltalbahn, die Kreis Altenaer Eisenbahn und die Inselbahnen Borkum und Spiekeroog. Von einigen habe ich Filmausschnitte in meinem Archiv. 

Mit meiner Volljährigkeit (21/ 1967) gründete ich zusammen mit Freunden den ersten Verein, veranstaltete Disco-Abende, plattdeutsche Vortrags- und Filmabende, produzierte ein kleines Heft und war eifrig bei Zeitungsverlagen tätig. Mein Hang zur Eisenbahn kam erst mit der Information durch den Vater meines Freundes Peter Butt zu tage, daß die Norddeutsche Affinerie eine kleine Dampflok zu verkaufen hätte. Ich kaufte sie für 1.700 DM, damals ein stolzer Preis für einen Azubi. Damit gelangte ich in die Feldbahnszene und gründete wiederum einen Verein. Ohne Führerschein und Auto blieb nur der Heimatort, so etwas aufzubauen. Und ich lernte, daß eine Feldbahn nicht nur leicht zu verlegen, zu unterhalten sondern auch zu betreiben war. Mit ihr konnte auch Geld verdient werden. Geld, das für soziale Zwecke verwendet werden sollte , ohne am Tropf staatlicher Zuschüsse zu hängen. Ohne diese Zuschüsse war man auch unabhängig. Freiheit hat ihren Preis! Es entwickelte sich eine Zusammenarbeit mit der Deutschen Gesellschaft für Eisenbahngeschichte e.V. in Karlsruhe, mit den Nederlandse Smalspoorweg Stichting in Kattwyk aan Zee und den Södermanland Järnväg in Mariefred (Schloss Gripsholm), Schweden. In München und Grevenbroich entstanden erste Geschäftsstellen. Noch 1974 wurde die magische Zahl von 100 Mitgliedern erreicht. Und dann kam für Holm-Seppensen das Aus. Die Nachbarschaft lief Sturm gegen das Projekt und erreichte, daß ein Planfeststellungsverfahren durchgeführt werden musste. Der Ruhebedürftigkeit der Nachbarschaft wurde vom Landkreis Harburg ein höherer Stellenwert beigemessen, als dem Feldbahnmuseum und damit das Verfahren abgelehnt. Nach der Prüfung von 10 verschiedenen neuen Standorten fiel die Entscheidung auf Deinste, wo eine Bahnwärterbude die Übernachtung der Ehrenamtler aus Holm-Seppensen sicherte. Dank Helmuth Rumprecht gelang der Umzug ohne Inanspruchnahme irgendwelcher Zuschüsse. Roland Prinz hatte sehr großen Anteil am Aufbau des ersten Abschnittes in Deinste, während Peter Finke, Rudolf Krantz, Karl Soia und Dierk Lawrenz den Abbau in Holm-Seppensen in Angriff nahmen.

1978 gab ich den Vorsitz auf, um anderen, unverbrauchten Mitgliedern Platz zu machen nach dem Motto: Neue Besen kehren gut. Allerdings setzte sich auch die Meinung bei mir durch, daß ein Verein nicht unbedingt die beste Form ist, eine Museumsbahn zu betreiben. Eine gemeinnützige Gesellschaft mit beschränkter Haftung oder ein gemeinnützige AG sind da die bessere Wahl. "Viele Köche verderben den Brei" und jeder hat einen anderen Grund, sich bei einem Verein einzubringen. Eine klare Linie ist schwer durchzuhalten und ein Vorstand, der eine solche vertritt, wird entweder mürbe gemacht und wirft das Handtuch oder ihm kann leicht das Leben schwer gemacht werden.

1979 erstellte ich ein Konzept zur Rettung der Bahnlinie Stade - Bremerhaven. Dies wurde in Hannover zum Anlaß genommen, die Bundesbahnstrecken im Elbe-Weser-Dreieck an die Elbe-Weser-Verkehrsbetriebe GmbH (EVB)zu übertragen und den Personenverkehr zwischen Buxtehude und Hesedorf zu reaktivieren. Der Abschnitt Stade - Hesedorf blieb nur noch für den Güterverkehr erhalten. Die EVB ist eine Erfolgsgeschichte geworden!

Seit 1980 führte ich beratende Tätigkeit auf dem Museumsbahnsektor in Polen und Griechenland durch.

Seit 1987 verfasste ich Bücher und Broschüren zum Thema Kleinbahnen in 600 mm und Feldbahnen sowie über Heimatkunde und Wanderungen

1987 bis 1996 begleitete ich die Pilionbahn in Griechenland bis zu ihrer Widerinbetriebnahme (29 km lange Schmalspurbahn in 600 mm Spurweite zwischen Volos und Milies)

1990 Ausarbeitung von Vorschlägen zur Wiedereröffnung des Personenverkehrs Buchholz - Jesteburg - Winsen (Luhe) und der Versuch, die Schmalspursammlung aus dem geräumten Museum der Deutschen Gesellschaft für Eisenbahngeschichte e.V. in Viernheim bei Mannheim im Lokschuppen Buchholz in Verbindung mit einer 600-mm-Strecke auf der stillgelegten Trasse der bremervörder Bahn unterzubringen. Von einigen Ratsherren der Stadt kam allerdings der Vorschlag, sich doch lieber in Ostdeutschland zu engagieren...

1992 Erstellung eines Konzeptes zur Reaktivierung des letzten 600-mm-Schmalspurnetzes der Polnischen Staatsbahn mit 150 km Streckenlänge in Europa. Die Bahnen waren als Wirsitzer und Bromberger Kreisbahnen unter deutscher Regie errichtet worden und sollte 1992 stillgelegt werden.

1993 Einrichtung einer "Historischen Bahnpost" beim Deutschen Feld- und Kleinbahnmuseum in Deinste bei Stade

1996 Gründungsmitglied bei den Mecklenburg-Pommerschen Schmalspurbahn-Freunden e.V. in Schwichtenberg

1997 Vorstellung des Projektes "Feldbahn Wilde Erika", Aufnahme der Bahn in die "Grünen Routen" der AgriEXPO 2000 und Gründung der Feld- und Kleinbahn Betriebsgesellschaft gGmbH. Seither geschäftsführender Gesellschafter.

2000-2002 Aufbau und Betrieb der "Wilden Erika" in Wörme bei Handeloh

2002 Vorbereitung des deutsch-deutschen Projektes "Kleinbahn und Erlebniswerkstatt Zorger Willem"

2002-2004 Notvorstand der Eisenbahn AG Ellrich-Zorge.

2005 Konzepterstellung für den Umbau der Normalspurbahn Malente-Lütjenburg und Suche nach einem Investor zum Erwerb der Bahnlinie

2006 Beginn der Umspurungsarbeiten und erste Fahrten auf einem kurzen Abschnitt

2009 Geschäftsführer der Kieswerke Glinde Eisenbahninfrastruktur GmbH und zweiter Geschäftsführer der Westfälischen Almetalbahn GmbH. Fertigstellung einer 5 km langen Schmalspurbahn in 600 mm Spurweite zwischen Malente und Bruhnskoppel und Aufnahme des Betriebes. Vorsogliche Stillegung nach 14 Tagen Betrieb durch den Bürgermeister. Nach 2 Monaten durch Entscheidung des Verwaltungsgerichtes Schleswig wieder im Betrieb. Trotz gültigem Pachtvertrag Erteilung der Konzession als Eisenbahninfrastrukturbetreiber an den Eigentümer. Rückspurung der Strecke 2010 und nach gewonnenem Verfahren vor dem Landgericht Lübeck Einigung mit dem Eigentümer, den Pachtvertrag in gegenseitigem Einverständnis aufzulösen.

2011 Suche nach einem neuen Standort für das Projekt Museumsfeldbahn, das noch nicht realisiert werden konnte. Beratung von verschiedenen Feldbahnunternehmen und Privatpersonen.

2012 Beginn mit Fahrraddraisinen auf der Strecke Hollige (Ausschließlich) - Altenboitzen

2013 Umbau der Strecke unter dem rollenden Rad auf 600 mm Schmalspur (www.klbg-ggmbh)

2015 Eröffnung des Kleinbahnbetriebes zwischen Altenboitzen und Hollige West

2017 Feier 50 Jahre Feldbahnmuseen in Deutschland mit einer Leih-Dampflok (Decauville) vom Frankfurter Feldbahnmuseum und Verlängerung der Strecke bis Klein Eilstorf

2018 Errichtung eines Abstellschuppens in Altenboitzen nach dem Vorbild der Mecklenburg-Pommerschen Schmalspurbahn AG

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All das wäre mir nicht möglich gewesen, wenn ich nicht sehr viel Unterstützung erhalten hätte. Ich danke deshalb in erster Linie demjenigen, der alles ins Dasein gebracht hat, der mich getragen hatte, der mir die Kraft gegeben hat, immer wieder aufzustehen. Meinen Eltern, Großeltern, Onkel und Tanten danke ich dafür, daß ich eine unbeschwerte, unbelastete Kindheit erleben durfte. Ebenso dankbar bin ich meinem Bruder, meinen Neffen und Nichten mit ihren Familien, die oft still und heimlich mich unterstützt haben. Danke auch an meine Partner und meinem Sohn und seiner Familie die den oft von mir gewählten steinigen, dornenreichen Weg mit allen Höhen und Tiefen eine Zeit lang mitgetragen haben, so lange sie es konnten. Ich habe sehr oft mich und andere bis an die Grenze ihrer Belastbarkeit gefordert, wobei der Mangel an materiellen Dingen sich insbesondere bei mir sehr wohl gefühlt hat. Ich bitte um Verzeihung, wenn ich oft nicht da war, wenn ich gebraucht wurde, wenn ich gedankenversunken keinen klaren Kopf mehr hatte und Euch vernachlässigte. Ich hoffe, man kann mir das verzeihen. Noch habe ich Zeit, das zu korrigieren und ich werde es versuchen.

Dank gebührt nicht nur meinen zahlreichen Freunden, die in aller Welt sitzen und zu denen ich oft genug den Kontakt  verloren hatte, sondern auch den Kritikern, Gegnern und Feinden, die ich mir mit meiner Ungeduld gemacht habe. Von ihnen konnte ich lernen, sofern ich es erkannte. Ich hoffe, daß auch die vielen, die in ihren Amtsstuben sitzen und sich mit meinen "verrückten Ideen" herumschlagen mußten oder müssen, mich nicht in schlechter Erinnerung behalten ("...ach, der Recht schon wieder!"). Selber war ich auch einmal einer von ihnen und ich weiß, wie sich die Berge türmen und wenn dann noch einer kommt, der nirgendwo hineinpasst und ausgefallene Dinge verwirklichen möchte...

So lange ich mein Leben selbst gestalten durfte - und das war ab 21 Jahren im Jahre 1967 - so lange habe ich versucht, die guten Dinge der "guten alten Zeit" im Einklang mit der Natur zu bewahren und dafür zu sorgen, daß auch spätere Generationen es erleben können und zwar authentisch und nicht nachgestellt. Das ist ein hoher Anspruch, ich weiß. Trotzdem ist es einen Versuch wert. Hinzu kommt, daß in den letzten Jahrzehnten etwas schief gelaufen ist in unserer Gesellschaft: ich habe beobachten müssen, wie willigen Menschen die Würde genommen worden ist, in dem sie - auch von politischer Seite - ausgenutz und ausgebeutet worden sind. Sie müssen für 4 EUR die Stunde auch nachts Taxi fahren und haben vielleicht einen Tag frei in der Woche. Um ihre Miete bezahlen zu können, müssen sie staatliche Hilfe in Anspruch nehmen und werden dabei auch noch behandelt, wie Bittsteller! Als eine der reichsten Nationen dieses Planeten stünde es uns gut zu Gesicht, auch denen eine Chance zu geben, die nicht studiert haben. Eine Gesellschaft erkennt man immer daran, wie sie mit ihren Bedürftigen umgeht.

Frei nach dem Gedanken von Erich Kästner "Es gibt nichts gutes, außer man tut es" habe ich seit Gründung der gemeinnützigen GmbH das Ziel gehabt, genau diesen Menschen - so sie es denn wollen - einen würdigen Arbeitsplatz zu bieten, wenn sie Freude an dieser Arbeit haben oder sie in einen solchen zu bringen. Das ist unter anderem mein Beitrag. Ein weiterer Beitrag ist, Jugendlichen im schulpflichtigen Alter über kleine Tätigkeiten unter Aufsicht Erfahrener behutsam an die Technik unserer Großväter heranzuführen und ihre Begeisterung zu wecken. Dabei liebevoll, zugewandt, ohne Vorurteile und Erwartungen, ohne Druck und ohne Angst, einladend, ermutigend und inspirierend mit Zuversicht und voll Vertrauen - im Gegensatz zu unserem heutigen Schulsystem - auf Interessierte zugehen, das war und ist für mich die einzige Form, Heranwachsenden und Erwachsenen zu helfen, über sich hinauswachsen zu können. Ohne Vergangenheit gibt es keine Zukunft. Gemeinsam mit vielen Weggenossen ist vieles gelungen und dafür können wir alle sehr dankbar sein. Und die geschaffenen Rahmenbedingungen haben unsere gemeinsamen Projekte "gelingen" lassen - auch wenn durch äußere Umstände einigen Projekten keine lange Lebensdauer beschieden war.

Wer mehr über "die alten Zeiten" lesen möchte, schaue bitte unter

"Projekte - bisherige Projekte" "Download" oder dieser Link:

http://de-livepages.strato.com/wizard/w4/w4_index.do?pageID=14986046

 

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